Ina, Du warst von Beginn an Alleinerzieherin – wie hat die Tatsache, dass Du Mutter von Loleth wurdest, Deinen beruflichen und privaten Werdegang beeinflusst?
I: Was uns Mütter vereint, ist die Erkenntnis, dass man als Mutter über sich hinauswachsen kann. Gäbe es Loleth nicht, würde es auch das Unternehmen nicht geben. Einerseits, weil ich mich anders orientiert hätte und andererseits, weil ich nicht bereit gewesen wäre, so viel von meiner Energie bereitzustellen und auf so viel zu verzichten. Ich glaube, dass man als Mutter Energien freimachen kann, von deren Existenz man noch nichts erahnt hat. Aber ich denke, das ist eine Einsicht, die ich mit vielen Müttern teile. Das gehört zum Muttersein an sich. Aber das bedeutet auch, man muss irrsinnig aufpassen, bewusst zu kontrollieren, dass man all das, was einen früher glücklich gemacht hat, nicht komplett beiseiteschiebt, weil eh das Kind da ist und einem so viel zurückgibt. Kinder können einfach auch zum Ersatz für alles Mögliche werden und vom eigenen Leben ablenken. Für Kinder kann das aber auch als Bürde empfunden werden. Bei Loleth hab‘ ich das Gefühl, es ist auch eine Bürde, dass sie in meinem Leben so wichtig ist.
Wie bzw. mit welchen Mitteln ist es Dir gelungen, ein Unternehmen zu gründen, das im Grunde von Beginn an Erfolge zu erzielen hatte?
I: Da komme ich wieder auf die erste Frage zurück … nämlich, dass ich irrsinnig lange überlege, wenn ich eine Entscheidung treffe. Ich hätte mich nicht drübergetraut, ein Unternehmen zu gründen. Ich hätte bestimmt einen sichereren Weg gewählt. Das bringt einen folglich in die Situation, über sich selbst hinauszuwachsen und Dinge zu verwirklichen, die man sich sonst nie zugetraut hätte. Dinge, die man nie geglaubt hätte zu schaffen. Und dann geht das plötzlich alles. Eine Komponente, die dabei mitspielt, ist, dass man unter Druck oft noch seine letzten Reserven auspacken kann. Als Mutter hat man, finde ich, noch mehr von diesen Reserven. Da spielt noch mehr mit, was einen irgendwie antreibt. Wahrscheinlich sind es Instinkte zum Wohle des Nachwuchses.
Alleinerzieherinnen sind auch im Jahr 2022 oftmals in einer prekären Situation, zumeist finanziell. Was muss Deines Erachtens seitens öffentlicher Institutionen bzw. des Staates getan werden, um deren Situation nachhaltig zu verbessern?
I: Wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen beim Namen zu nennen, bin ich vermutlich überfragt. Es besteht aber gewiss dringender Handlungsbedarf, um diesen Zustand wahrzunehmen und bewusster darauf einzugehen … weil ich glaube, dass Frauen eine irrsinnige Last tragen. Vor allem, wenn keine familiäre oder öffentliche Infrastruktur dahintersteht, die das abfedern kann. Das führt zu unerträglichen Situationen. Sowohl für die Frauen als auch für die Kinder. Also alles, was eine angemessene Kinderbetreuung darstellt und alles, was die Gesellschaft tun kann, um sich vom Irrglauben zu trennen, dass arbeitenden Mütter schlechte Mütter seien. Konkret würde das auch bedeuten, dass man Alleinerzieherinnen, die an der Armutsgrenze sind, finanziell unterstützen muss. Und davon gibt es genug. Neben Migration und Rassismus ist das in unserer Gesellschaft die schlimmste übersehene Ungerechtigkeit und hat das größte Potenzial zu unerträglichen Umständen zu führen. Das Furchtbarste daran wird überhaupt nicht in seinem vollen Ausmaß kommuniziert, dargestellt und wahrgenommen. Denn die Folge ist oft eine Form von emotionaler Verwahrlosung der Kinder, weil die Mütter einfach nicht mehr können. Das ist alles eine irre Diskriminierung von Frauen, die da stattfindet … die aber viel zu wenig diskutiert wird. Es ist unglaublich, was für eine Leistung Frauen in unserer Gesellschaft liefern. Eine Leistung, die aber – zumindest monetär – völlig unerwidert bleibt.