Ina und Loleth Kent

Was verbindet Euch, was unterscheidet Euch?

Ina: Was uns jedenfalls verbindet, ist, dass wir beide keine schlichten Gemüter sind. Wir können ziemlich nerven, wenn wir den Dingen auf den Grund gehen wollen. Das hat zur Folge, dass wir beide keine raschen Entscheidungen treffen können … wobei das Loleth vermutlich noch exzessiver betreibt. Wir sind beide auch eher überaktiv und kommen nur schwer zur Ruhe. Loleth hat eine unglaubliche Offenheit anderen Menschen gegenüber und kann auch im sehr intensiven und andauernden Kontakt mit anderen Menschen funktionieren. Im Kontrast dazu brauche ich irgendwann auch einmal Zeit, um für mich alleine zu sein.

Loleth: Ich denke auch, dass wir beide nur schwer zur Ruhe kommen und dementsprechend häufig gestresst sind. Nicht gestresst im negativen Sinne – aber irgendwie immer sozusagen alerted. Was wir auch gemeinsam haben, ist, dass wir beide sehr umgängliche Menschen sind. Im Unterschied zu meiner Mama bevorzuge ich es aber grundsätzlich nicht alleine zu sein, während Mama auch das Alleinsein braucht.

Grundsätzlich gibt es gewiss einiges, das mich von meiner Mama unterscheidet. Wir haben unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Geschmäcker. Für eine außenstehende Person mag es aber vermutlich auf den ersten Blick so wirken, als ob wir uns durch und durch ähneln.

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Ina und Loleth Kent Muttertagsportait
"Neben Migration und Rassismus ist das in unserer Gesellschaft die schlimmste übersehene Ungerechtigkeit und hat das größte Potenzial zu unerträglichen Umständen zu führen."

Ina, Du warst von Beginn an Alleinerzieherin – wie hat die Tatsache, dass Du Mutter von Loleth wurdest, Deinen beruflichen und privaten Werdegang beeinflusst?

I: Was uns Mütter vereint, ist die Erkenntnis, dass man als Mutter über sich hinauswachsen kann. Gäbe es Loleth nicht, würde es auch das Unternehmen nicht geben. Einerseits, weil ich mich anders orientiert hätte und andererseits, weil ich nicht bereit gewesen wäre, so viel von meiner Energie bereitzustellen und auf so viel zu verzichten. Ich glaube, dass man als Mutter Energien freimachen kann, von deren Existenz man noch nichts erahnt hat. Aber ich denke, das ist eine Einsicht, die ich mit vielen Müttern teile. Das gehört zum Muttersein an sich. Aber das bedeutet auch, man muss irrsinnig aufpassen, bewusst zu kontrollieren, dass man all das, was einen früher glücklich gemacht hat, nicht komplett beiseiteschiebt, weil eh das Kind da ist und einem so viel zurückgibt. Kinder können einfach auch zum Ersatz für alles Mögliche werden und vom eigenen Leben ablenken. Für Kinder kann das aber auch als Bürde empfunden werden. Bei Loleth hab‘ ich das Gefühl, es ist auch eine Bürde, dass sie in meinem Leben so wichtig ist.

Wie bzw. mit welchen Mitteln ist es Dir gelungen, ein Unternehmen zu gründen, das im Grunde von Beginn an Erfolge zu erzielen hatte?

I: Da komme ich wieder auf die erste Frage zurück … nämlich, dass ich irrsinnig lange überlege, wenn ich eine Entscheidung treffe. Ich hätte mich nicht drübergetraut, ein Unternehmen zu gründen. Ich hätte bestimmt einen sichereren Weg gewählt. Das bringt einen folglich in die Situation, über sich selbst hinauszuwachsen und Dinge zu verwirklichen, die man sich sonst nie zugetraut hätte. Dinge, die man nie geglaubt hätte zu schaffen. Und dann geht das plötzlich alles. Eine Komponente, die dabei mitspielt, ist, dass man unter Druck oft noch seine letzten Reserven auspacken kann. Als Mutter hat man, finde ich, noch mehr von diesen Reserven. Da spielt noch mehr mit, was einen irgendwie antreibt. Wahrscheinlich sind es Instinkte zum Wohle des Nachwuchses.

Alleinerzieherinnen sind auch im Jahr 2022 oftmals in einer prekären Situation, zumeist finanziell. Was muss Deines Erachtens seitens öffentlicher Institutionen bzw. des Staates getan werden, um deren Situation nachhaltig zu verbessern?

I: Wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen beim Namen zu nennen, bin ich vermutlich überfragt. Es besteht aber gewiss dringender Handlungsbedarf, um diesen Zustand wahrzunehmen und bewusster darauf einzugehen … weil ich glaube, dass Frauen eine irrsinnige Last tragen. Vor allem, wenn keine familiäre oder öffentliche Infrastruktur dahintersteht, die das abfedern kann. Das führt zu unerträglichen Situationen. Sowohl für die Frauen als auch für die Kinder. Also alles, was eine angemessene Kinderbetreuung darstellt und alles, was die Gesellschaft tun kann, um sich vom Irrglauben zu trennen, dass arbeitenden Mütter schlechte Mütter seien. Konkret würde das auch bedeuten, dass man Alleinerzieherinnen, die an der Armutsgrenze sind, finanziell unterstützen muss. Und davon gibt es genug. Neben Migration und Rassismus ist das in unserer Gesellschaft die schlimmste übersehene Ungerechtigkeit und hat das größte Potenzial zu unerträglichen Umständen zu führen. Das Furchtbarste daran wird überhaupt nicht in seinem vollen Ausmaß kommuniziert, dargestellt und wahrgenommen. Denn die Folge ist oft eine Form von emotionaler Verwahrlosung der Kinder, weil die Mütter einfach nicht mehr können. Das ist alles eine irre Diskriminierung von Frauen, die da stattfindet … die aber viel zu wenig diskutiert wird. Es ist unglaublich, was für eine Leistung Frauen in unserer Gesellschaft liefern. Eine Leistung, die aber – zumindest monetär – völlig unerwidert bleibt.

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Ina und Loleth Kent Muttertagsportait
Ina und Tochter Loleth Kent vorm INA KENT-Store Siebensterngasse 50. Foto von Adrian Batty
"Aber da ging es oft auch darum, dass sie mir dabei geholfen hat, emotional unabhängiger zu sein und mir meine Wohlfühl-Bubble auch selbst zu schaffen. Dass ich das alleine hinbekommen hab, das wurde mir in meiner Erziehung jedenfalls mitgegeben."

Loleth, welche Werte sind Dir vermittelt worden? Falls Du selbst Mutter werden möchtest – was möchtest Du bei der Erziehung Deines Kindes oder Deiner Kinder allenfalls übernehmen?

L: All das, was im Rahmen der letzten Frage besprochen wurde – nämlich, dass Frauen auch heute innerhalb unseres Systems irrsinnig benachteiligt werden, dass es so etwas wie einen Gender-Pay-Gap gibt … als ich aufgewachsen bin, war ich mir dieser Defizite überhaupt nicht bewusst, weil meine Mama all das irgendwie abgefedert hat. Denn das, was ich erlebt habe, ist, dass Frauen alles erreichen können. Generell wurde mir mitgegeben, dass Equality zu den wichtigsten Werten gehört – egal, worum es geht. Und das sind auch die wichtigsten Werte, die ich meinen Kindern mitgeben möchte.

Du hast Deine letzten beiden Schuljahre in Oxford absolviert, wie war es für Dich, erstmals wirklich auf Dich alleine gestellt zu sein bzw. Deine Mutter nicht in nächster Nähe zu haben?

L: Es war für mich kein Problem, weil ich mich an meiner Schule sehr wohl gefühlt hab‘ und ich mich dort rasch und gut eingelebt hatte. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte es anders kommen können. Aber ich muss auch sagen, dass ich sehr gut darauf vorbereitet war, ein bisschen unabhängiger zu sein. Trotzdem konnte ich mich immer an meine Mutter wenden und es gab natürlich immer wieder Situationen, aus denen sie mir rausgeholfen hat. Aber da ging es oft auch darum, dass sie mir dabei geholfen hat, emotional unabhängiger zu sein und mir meine Wohlfühl-Bubble auch selbst zu schaffen. Dass ich das alleine hinbekommen hab, das wurde mir in meiner Erziehung jedenfalls mitgegeben.

"Wenn man ein Produkt besitzt, das mehr kann als nur schön aussehen, dann fällt einem in der Verwendung auf, wie wichtig diese Features sein können."

Gibt es eine oder mehrere INA KENT-Modelle, die von Loleth inspiriert sind? Bzw. wie beeinflusst oder beeinflusste Dich Deine Mutterschaft beim Design der Taschen?

I: Dass Loleth mich konkret inspiriert, ist neu. Loleth hat im vergangenen Herbst im Unternehmen gearbeitet. Seitdem hat sich das für mich überraschend und erfreulich entwickelt und sie ist mittlerweile zu einer wichtigen Sparring-Partnerin geworden. Ich setze mich gerne mit ihr hin und befrage sie zu Modellen, an welchen ich gerade arbeite … und sie hat immer einen Input, der für mich sehr interessant ist. Im Zuge dessen ist auch gerade ein Prototyp eines neuen Styles entstanden, der zu hundert Prozent von Loleth inspiriert wurde. Auch im Design-Prozess zum Beispiel was die Proportionen anbelangt, hab‘ ich sie immer wieder eingebunden.

Inwieweit sich das Muttersein auf das Design ausgewirkt hat, könnte ich nur aus der Vogelperspektive betrachtend sagen – nämlich, dass man besonders als Mutter eine Tasche braucht, die in vielen Situationen funktioniert. Ich hab‘ versucht, ein Produkt zu kreieren, das im Alltag mitkommt. Ein Leben von einer Frau oder Mutter wird nicht vereinfacht, wenn die Tasche, die sie trägt, nur aus den Äußerlichkeiten besteht. Die grundsätzliche Idee, ein flexibles Produkt zu schaffen, ist wahrscheinlich aus dieser Überlegung heraus entstanden.

Loleth, was ist Dein liebstes INA KENT-Modell und warum?

L: Konkret kann ich das gar nicht beantworten, weil sich meine Einstellung zu den Produkten in der Zeit, als ich im Unternehmen gearbeitet hab, ganz stark verändert hat. Zuvor war bestimmt MOONLIT mein liebstes Modell, weil ich und auch meine Freund*innen sie gerne getragen haben. MOONLIT war jedenfalls die Tasche, die am besten zu mir in dieser Phase meines Lebens gepasst hat. Als ich im Unternehmen gearbeitet hab, lernte ich die Taschen viel besser kennen. Davor wusste ich eigentlich sehr wenig über die genauen Funktionsweisen der Produkte. Es gibt ja so viele verschiedene Modelle und mir gefallen einzelne, ganz unterschiedliche Aspekte davon. Viele Details finde ich einfach schön … andere praktisch oder hilfreich.

Du und auch viele Deiner Freund*innen tragen INA KENT-Taschen – warum denkst Du kommen diese Taschen sowohl bei Euch als auch bei Euren Müttern gut an?

Ich denke, dass das wegen des Hauptkonzeptes – die Verbindung von Funktionalität und Optik – so ist. Und so gelingt es, dass das Design der einzelnen Produkte auf ganz verschiedene individuelle Bedürfnisse eingehen kann. Bei vielen Brands, die mit ihren Produkten eine eher ältere Altersgruppe ansprechen, stehen Aspekte wie Funktionalität, Praktikabilität und Nachhaltigkeit im Fokus. Das sind Aspekte, die einem nicht zu wichtig sind, wenn man in meinem Alter ist, weil man wahrscheinlich doch noch mehr auf die Optik schaut. Aber Aspekte wie Funktionalität und Qualität sind halt trotzdem wichtig, auch für potenzielle Käufer*innen in meinem Alter. Man sucht also ein Produkt, das einen optisch gefällt und zusätzlich hat es eben Added Value. Das mag anfänglich nur ein Bonus sein und ist vielleicht nicht unbedingt etwas, dass zur Kaufentscheidung geführt hat. Aber wenn man ein Produkt besitzt, das mehr kann als nur schön aussehen, dann fällt einem in der Verwendung auf, wie wichtig diese Features sein können.

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Ina und Tochter Loleth Kent, portraitiert von Adrian Batty
"Ich glaub, was ich mir wünsche, ist, dass ich es auch in 10 Jahren immer noch schaffe, neue Sachen in mein Leben zu lassen."

Loleth, wo siehst Du Dich in 10 Jahren? Ina, wo siehst Du Dich in 10 Jahren?

L: Ich weiß nicht, wo ich mich in 10 Jahren sehe. Das liegt auch daran, dass ich diesen nächsten großen Schritt, mein Studium, erst vor mir habe. Es kommt auch viel darauf an, wie mich dieses beeinflusst und wie ich mich während des Studiums entwickle. Das ist die eine Sache, die ich erst mal erleben muss, bevor ich weiß, wie es tatsächlich weitergeht. Ich hoffe, dass ich mich jedenfalls in einem Arbeitsverhältnis befinde, in dem ich mich wohlfühle. In dem ich die Möglichkeit habe, mich zu entwickeln, ich mit Menschen zusammenarbeite, die mir wichtig sind und ich dort Dinge tun kann, die mir wichtig sind. Aber ich würde auch sagen, dass es für mich nicht nur den einen Karriereweg geben kann. Ich möchte nicht mein Leben lang im selben Feld arbeiten.

I: Eigentlich widerstrebt mir die Frage sehr. Denn alles, was darüber hinausgeht, was man sich wünscht – nämlich, dass alle Menschen rund um einen herum gesund und glücklich sind – kann ich nicht beantworten. Die Entscheidungen, die ich treffe, bauen immer darauf auf, was gerade Sache ist. In der Realität ist es oft so, dass die Dinge auch einfach passieren. Und es ist auch wichtig, dass man offenbleibt und gewisse Aspekte des Lebens offenlässt, damit und weil eben Dinge passieren, auf die man reagieren kann und muss. Ich glaub, was ich mir wünsche, ist, dass ich es auch in 10 Jahren immer noch schaffe, neue Sachen in mein Leben zu lassen. Das ist etwas, woran man bestimmt arbeiten muss, um Türen offenzulassen zu können. Wenn man zu viele Pläne schmiedet, läuft man Gefahr, dass man gewissen Dingen keine Möglichkeiten mehr lässt.

Fotos (c) Adrian Batty