„In Österreich fehlt jegliche Sensibilität für Mode als Business.“ INA KENT meets Roberta Manganelli.

Seit mittlerweile 31 Jahren lebt die gebürtige Italienerin in Wien. Fast genauso lange existiert die Wiener Modelagentur Stella Models, die Roberta Manganelli 1993, mehr oder weniger durch Zufall, gründete. Seither fungiert sie als Managing Director und vermittelt heimische und internationale Models an Auftraggeber*innen in der ganzen Welt. Dabei übernimmt Roberta das gesamte Management – von der Positionierung und Betreuung des Models, über die Kommunikation mit Kund*innen bis hin zum Booking. Als uns Roberta Manganelli in ihrer Agentur im 6. Wiener Gemeindebezirk empfängt, fühlen wir uns sofort durch ihren italienischen Charme und der lebhaft-quirligen und direkten Art in den Bann gezogen. Deshalb sind wir nicht verwundert, dass Stella Models auch nach so vielen Jahren und während einer Pandemie, von der die Branche besonders betroffen ist, noch in dieser Form existiert. Ein gutes Verständnis für die Branche, Kreativität und ein solides globales Netzwerk sind hierfür jedoch Voraussetzung. Im Gespräch lernen wir schnell: Roberta bietet all das und noch mehr.

Wie hast Du die letzten 12 Monate erlebt, die hauptsächlich von der Pandemie bestimmt waren und noch immer sind? Wie hat sich die Pandemie auf die Agentur und deinen Alltag ausgewirkt?
Ich habe das große Glück, dass ich vor 30 Jahren – mehr oder weniger zufällig – zu diesem Job gekommen bin und die Agentur gegründet hab. Nach so langem Bestehen ist und war die Pandemie für Stella Models nicht existenzbedrohend – nach einem Stillstand zu Beginn des ersten Lockdowns ist alles wieder langsam angelaufen. Ich habe mich zu Beginn viel mehr um die Models gesorgt – aber auch hier hat sich gezeigt, dass die meisten kreativ und smart sind und daher in der Lage waren, sich weitere Standbeine aufzubauen.

Mein Leben ist in den letzten zwölf Monaten viel ruhiger geworden. Vor der Pandemie hab' ich an einem Abend oftmals drei unterschiedliche Events besucht, die immer gleich abgelaufen sind. Zuerst gab es ein Abendessen und Drinks und später hat man versucht, den Marketing-Part unterzubekommen. Natürlich waren da auch schön gestaltete Veranstaltungen dabei, die in Erinnerung geblieben sind. Aber grundsätzlich frage ich mich schon, ob man nicht auch ohne Veranstaltungen dieser Art auskommt und ob das Geld nicht irgendwo anders besser investiert ist.

Jetzt besteht mein Alltag, abseits von den Stunden, die ich am Schreibtisch verbringe, aus Kochen & Essen, (Corona-adäquaten) Treffen mit Freund*innen, Filmabenden und Spaziergängen. Diese Langsamkeit und Bodenständigkeit möchte ich jedenfalls, wenn wieder Normalität eingekehrt ist, beibehalten.

Welche Entwicklungen siehst Du für die Zukunft des heimischen Mode-Business'? Hast Du eine konkrete Vision?
Die Pandemie kann durchaus eine Chance sein, die Dinge anders zu betrachten und zu organisieren. Zum Beispiel wäre es schön, wenn sich im Hinblick auf die Ausbildungen, die in Österreich im Bereich Mode angeboten werden, etwas ändern würde und der wirtschaftliche Teil der Ausbildung, egal ob im sekundären oder akademischen Bildungsbereich, einen größeren Stellenwert einnehmen würde. Der Mode-Nachwuchs hätte somit ein viel besseres Werkzeug für alle Eventualitäten und Krisen zur Verfügung. Jeder, der sich selbstständig macht, muss in der Lage sein, einen ordentlichen Business-Plan und eine Preisstrategie zu erstellen. Ansonsten ist man mittelfristig zum Scheitern verurteilt.

INA KENT meets Roberta Manganelli

Auf der anderen Seite fehlt in Österreich jegliche Sensibilität für Mode als Business. Jetzt, aus der Krisensituation heraus, haben sich erstmals Menschen aus dem Kreativ-Business zusammengetan und aufgeschrien. In Frankreich und Italien hat Mode einen ganz anderen Stellenwert – da steht auch die Politik dahinter, weil dort auch noch die Produzenten sitzen, die geschützt werden müssen. Das gibt es hier in Österreich nicht mehr, weil es auch keine geschützten Gewerbe mehr gibt. Ich weiß nicht, ob ich dem so viel abgewinnen kann, dass jeder alles machen kann. Aufgrund der Krise ist aber wieder ein Gegentrend spürbar – die Wertschätzung für Qualität und echtes Handwerk ist zurückgekehrt.

Zudem passiert natürlich gerade vieles online. Um dem entgegenzuwirken wäre es insbesondere für das Stadtbild wichtig, wenn ein paar gute Concept-Stores entstünden. Aber auch das ist in Wien, insbesondere aufgrund der Standort-Problematik, nicht so einfach. Es bedarf hier also langfristige Maßnahmen und auch stadtentwicklerische Schritte, um andere Gebiete, abseits von der Mariahilferstraße, Neubaugasse und dem 1. Bezirk, wirklich zu beleben und interessant zu gestalten.

Der hohe Stellenwert des nachhaltigen Konsums wird berechtigterweise bleiben. Auch das Mantra „weniger ist mehr“ – denn, wir haben alle viel zu viel. Massenprodukte habe ich nie wirklich verstanden, deshalb bin ich sehr glücklich über die gegenwertigen Entwicklungen. Die Zeiten, wo man jeden Tag ein neues Outfit braucht, sind vorbei.

Du hast Deine Agentur vor beinahe dreißig Jahren gegründet – was ist im Jahr 2021 anders als im Jahr 1993?
Diese Frage kann ich schnell beantworten: Vor dreißig Jahren hatte ich zwanzig fulltime-working Clients und zwanzig fulltime-working Models – und wir haben viel mehr Geld gemacht als jetzt. Heutzutage ist alles hybrid und man muss flexibler sein.

Roberta Manganelli

Es ist in aller Munde, dass Brands seit 2-3 Jahren vermehrt darauf reagieren, dass unsere Gesellschaft divers ist ­– dies spiegelt sich natürlich auch darin wider, welche Models/Testimonials in Kampagnen zu sehen sind. Kannst Du diese Veränderung auch in Deiner Agentur wahrnehmen, also gibt es eine Veränderung bei den Buchungsanfragen? Und würdest Du sagen, dass es sich um eine echte Veränderung handelt oder ist das nur ein sozial-erwünschter Effekt?
Ich war nie ein Fan von puppenhaftem, schablonenhaftem Aussehen. Ich liebe es, wenn ein Model Persönlichkeit mitbringt – deshalb kann ich diese Entwicklung nur begrüßen. Die Realität ist, dass Models mit nicht-weißer Hautfarbe am österreichischen Markt – der wesentlich kleiner und maßgeblich konservativer ist wie z. B. der englische – kaum gebucht wurden. Seit ein paar Jahren gibt es hier spürbare Entwicklungen. Das betrifft nicht nur die Hautfarbe, sondern auch die Körpergröße, Hüftumfang usw. – es ist viel mehr möglich. Mode war schon immer einer der schnellsten Reflexe auf die Gesellschaft, von daher ist sie natürlich immer irgendwo sozial erwünscht. Aber ich denke auch, dass Konsument*innen durchschauen, wenn die Message einer Kampagne nicht echt ist und wenn sich ein Brand ein Image umhängen will, dem es nicht entspricht.

Wir haben den Eindruck, dass sich das moderne Model heutzutage auch irgendwo selbst vermarkten muss. Liegt das daran, dass viele junge Models Digital Natives sind und hier den Ton angeben?
Das sind meines Erachtens noch immer zwei parallele Welten. Interessanterweise gab es Zeiten, wo sich Clients plötzlich für die Follower-Zahlen der Models interessiert haben. Mittlerweile interessiert das – zumindest in Österreich – niemanden mehr. Das heißt nicht, dass es für Kund*innen prinzipiell nicht relevant ist, es ist einfach ein anderes Business, für das es auch eigene Booker gibt.

Wie dürfen wir uns Dein Leben als Agenturinhaberin vorstellen? Wie sieht ein typischer Tag in Robertas Leben aus?
Ich schlafe lange und gut, mache mir einen Kaffee, trinke viel warmes Wasser, rauche eine Zigarette und ziehe mich je nach Laune an. Dann setze ich mich zum Schreibtisch und arbeite 7-8 Stunden – was genau an einem Arbeitstag passiert, kann ich nie voraussehen. Abends sehe ich meine Family und Freunde und sehe mir in der Woche 6-7 Filme an. Am Wochenende geh ich gern auf Märkte oder fahr raus aus Wien.

Was kannst Du besser als andere?
Keine Ahnung – ich versuche, mich nicht zu vergleichen bzw. nehme ich nicht so wahr, wie das andere machen. Aber es hat wahrscheinlich einen Grund, warum Stella Models nach so vielen Jahren in diesem Business, trotz dieses kleinen Markts, noch existiert. Was ich schon das eine oder andere Mal gehört hab ist, dass meine italienische Art – das mütterliche und das Interesse am Menschen – geschätzt wird. Es geht mir um mehr als nur das Vermitteln. Eine Agentin muss eine Vision haben – einen jungen Menschen sehen und eine Projektion entwickeln. Ich weiß nicht, wie man das kurz fassen kann – ich kann nur sagen, dass ich diesen Job liebe – ich habe die Möglichkeit, mit Menschen zu arbeiten … und nicht mit Produkten. Manche Models meinen, sie könnten von niemandem anderen vertreten werden … nicht, was den Look betrifft, sondern den Charakter. Und dieses Feedback erhalte ich auch von den Clients. Meine Models sind smart und erzogen, sie hören zu, haben keine Allüren und nehmen keine Drogen. Mich überrascht immer wieder, dass sie so brav sind. Aber … besser brav, als "daneben".

Wir Oesterreicher hoffen innigst, in den Sommermonaten wieder unkompliziert in unser liebstes Urlaubsland Italien reisen zu dürfen. Du selbst kommst ja aus der Toskana – hast Du ein paar gute Tipps für uns?
Siena ist eine der schönsten Städte der Welt – ich bin sehr dankbar, dort geboren zu sein. Aber ich hab' persönlich vor zwölf Jahren Salento entdeckt – das letzte Ende Italiens … that's my place. Das Licht dort ist wie in Kapstadt, Los Angeles oder Miami – die Sonne geht vor dir im Wasser unter. Die Landschaft ist vielfältig und reicht von wunderschönen Barockstädten bis Mexiko-ähnlichen Gegenden. Zwei verschiedene Meere, links und rechts. Und man ist dort unter echten, netten Italienern und kann gut und günstig essen. Ein Bier, ein Euro. :)

Italienischer Neorealismus oder Nouvelle Vague?
Nouvelle Vague! Neorealismus kenne ich von zu Hause und Nouvelle Vague ist das, was mich inspiriert.

Traust Du Dich ein Urteil abzugeben: Wo gibt es nun wirklich die beste Pizza Wiens?
Ich bin nicht die große Pizza-Esserin … aber eine Pizzeria, die ich wirklich mag, ist „La Delizia“ in der Florianigasse.

Robrta Manganelli meets INA KENT

Wien und Mode – wie geht das zusammen?
Wien war in Bezug auf Mode immer schon extrem spannend und unspannend zugleich. Mode hat lange niemanden wirklich interessiert, es gab ein bestimmtes Flair und dieses „Second-Hand-Gefühl“. Gleichzeit existierten diese urkonservativen Damen, Hutträgerinnen, die das Bild der Stadt sehr geprägt haben. Und es gab, als ich nach Wien kam, noch Subkulturen, die mit Farben experimentiert haben und eine gewisse Frische in das konservative Stadtbild gebracht haben. Als dann irgendwann die Fast-Fashion-Ketten in Wien gelandet sind, hat sich das alles schnell verändert, die Subkulturen sind verschwunden, die Mädchen haben begonnen, sich wie ihre Reality-Star-Idole zu kleiden und irgendwann ist einfach alles zu einer großen Suppe geworden. Heutzutage, wenn man jemanden anhand eines Outfits versucht zu beurteilen, kann es sein, dass man mit seiner Einschätzung komplett daneben liegt. Jemand, der sich im „Clochard-Stil“ kleidet, kann auch eine wohlhabende Business-Person im Freizeit-Outfit sein. Und durch die Pandemie hat sich das ohnedies noch einmal verändert.

Gibt es eine „Roberta-Uniform“? Bzw. was sind Deine Wardrobe-Staples?
Eine Uniform hab' ich nicht wirklich. In meinem Kleiderschrank befinden sich unglaublich viele, sehr schöne Teile aus den unterschiedlichsten Perioden meines Lebens. In den 90iger-Jahren hab' ich eigentlich nur schwarz getragen – und zu einem Abendessen oder formellen Meetings trage ich auch nach wie vor gerne einfach ein All Black Outfit. Denn schwarz polarisiert nicht und lenkt nicht von der Person im Outfit ab. Gleichzeitig hab' ich nun von schwarzer Kleidung auch irgendwie genug und kombiniere z. B. gerne Hosen mit Statement-Blusen in spannenden Mustern, aus tollen Materialien. Natürlich gibt es auch Kleider in meinem Schrank – das minimiert den Aufwand bei der morgendlichen Kleiderwahl.

Welches Modejahrzehnt ist Dein liebstes?
Mein Lieblingsjahrzehnt ist immer das, was noch kommen wird.

Italienische Gelassenheit – kann man das lernen?
Geh nach Italien und bleib solange, bis du es gelernt hast. In Wien wird's schwierig, aber lernen kann man alles. :)

Roberta Manganelli

Was schätzt Du an INA KENT-Taschen?
Ich finde einfach das Konzept dahinter sehr ansprechend. Dass man eine Tasche auf unterschiedliche Weise tragen und anpassen kann, ist nicht nur modern, es muss heutzutage einfach so sein, denn wir wollen nichts Unpraktisches mehr tragen. Dadurch, dass das Innenleben so gut gestaltet ist, findet man auch seine Dinge in der Tasche wieder. Ich mag auch, dass die Taschen so zurückhaltend sind und nicht vom Logo oder üppigen Metallteilen dominiert sind. Das Gesamtkonzept – schlichte Formen, gute Details und dazu die Auswahl einiger Key-Farben – ist einfach smart!

Welche Frage(n) wolltest Du Ina Kent immer schon einmal stellen?
Ich hab‘ keine Frage – sondern nur den Input, dass ich die Geschichte zur Brand sowie die transparente Kommunikation rund um die Wertschöpfungskette sehr schätze – so, wie das auf der Website kommuniziert wird, finde ich es originell und ansprechend. Und das sagt auch viel über die Person Ina Kent aus.

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13. März 2021