Wie hast Du die letzten 1,5 Jahre seit Beginn der Pandemie erlebt? Wie bist Du mit den Restriktionen und Reisebeschränkungen umgegangen?
Ganz zu Beginn hatte ich etwas Platzangst, bin auch einmal in der Nacht aufgewacht und dachte: „Oh mein Gott, ich bin in Österreich eingesperrt …“ Natürlich war dieser Gedanke übertrieben. Ich war an das Reisen so gewohnt. Aber ich hab’ mich damit angefreundet, war viel im Burgenland, in der Natur und mit Familie. Es war fein, sich einmal für längere Zeit in einem ganz anderen und entspannten Umfeld zu befinden. Seitdem ich vierzehn war, war ich nicht mehr so lange am Stück in Österreich. Es war eine interessante Erfahrung … ich lieb’ Österreich, aber ich kann nicht immer nur an einem Ort sein, denn ich hab’ das Gefühl, dass mich das im Denken limitiert.
Es ist mir so bewusst geworden, dass ich die Momente brauche, wenn ich im Flugzeug sitze, aus dem Fenster schau’ und dann erkenne, dass es eigentlich keine Grenzen gibt. Wenn man sich immer nur in der gewohnten Umgebung aufhält, in der eigenen kleinen Blase, wird es immer schwieriger, auch darüber hinaus zu denken. Es wird dann ja immer feiner in dieser kleinen Bubble. Und irgendwann wird die Blase immer kleiner und schließlich denkt man sich vielleicht irgendwann: „Immer im eigenen Haus zu sein, ist eh auch fein.“ Wenn man dann wieder rausgeht, merkt man erst, dass man um sich herum Restriktionen aufgebaut hat, die einen nicht mehr so frei sein lassen.
Wo siehst Du Dich in 10 Jahren? Gibt es etwas Konkretes, worauf Du hinarbeitest?
Für jetzt steht einmal Olympia 2022 im Fokus. Aber darüber hinaus hab’ ich keinen fixen Plan. Generell hab’ ich selten konkrete Pläne, aber ich seh’ oft ungefähre Bilder vor mir, die wegweisend dafür sind, was ich im nächsten Schritt machen möchte. Bis jetzt war das zumindest immer so. Ich sehe das generell entspannt, weil alles, was ich gerade mach’, mit großer Leidenschaft verbunden ist. Und egal, was daraus wird, ich werd’s so nehmen, wie’s kommt.
Aber natürlich sollen auch Familie und zwischenmenschliche Beziehungen eine Rolle spielen – das ist mir wichtiger als Erfolg. Und ich würde mir wünschen, dass sich RE/MIND weiterentwickelt. Jedenfalls möchte ich in irgendeiner Form Veränderung schaffen – egal in welchem Bereich. Und wenn ich nur Yoga- oder Atem-Sessions unterrichten würde, wär’ ich genauso zufrieden, denn hier kann man auch im kleinen Bereich verändern. Einfach zu sehen, wie jemand innerhalb einer Stunde wieder lernt, frei zu atmen – solche Kleinigkeiten machen mich einfach echt glücklich. Denn jeder Einzelne, der einfach bewusster ist, verändert die Welt.
Olympia 2022 – wie bereitest Du Dich dafür körperlich und mental vor? Mit welcher Erwartungshaltung und Gefühlen blickst Du dieser Herausforderung entgegen?
Alles, was ich mach, ist irgendwo Vorbereitung. Ich versuche, innerlich immer auf das Ziel ausgerichtet zu sein. Natürlich könnt‘ ich sofort zwanzig Dinge aufzählen, die passen müssen, damit ich gewinnen kann. Diese Liste kenne ich in- und auswendig. Dennoch glaube ich eher an das Timing, das das Leben vorgibt. Deshalb lass’ ich die Sachen passieren. Das körperliche Level kann ich mit meiner Erfahrung schnell erreichen, das Mindset und der klare Fokus auf das Ziel sind hier viel wichtiger. Es mag sich absurd anhören, aber ich weiß ganz genau, dass wenn ich zwei Monate intensiv trainiere, kann ich ein gutes Level für den Saison-Start erreichen. Aber momentan macht es für mich mehr Sinn, wenn sich mein Körper noch regenerieren kann. Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass die beste Performance nicht immer auf körperlichem Training resultiert. Oft muss man genau das Gegenteil machen, um gut zu performen – nämlich nichts. Im Nachwuchssport ist das natürlich etwas anderes, aber in späteren Phasen, wenn man technisch bereits auf hohem Niveau performt, geht es hauptsächlich darum, wie gut man den eigenen Körper kennt ... und dass man einschätzen kann, was man braucht, um sein Ziel zu erreichen.